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Indian Holidays

  • Autorenbild: Eliane Graf
    Eliane Graf
  • 23. Nov. 2023
  • 20 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Nov. 2023


«Herzlich willkommen Miss. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?» «Vielen Dank. Mein Name ist Tracy und ich bin die bestellte Fotografin», antwortete Tracy lächelnd und stellte ihren Rucksack und ihre Fototasche ab. Das Strahlen der älteren Dame mit den dicken Brillengläsern nahm noch um einige Watt zu und begeistert breitete sie die Arme aus. «Tracy Loren! Wie ich mich freue! Ich danke Ihnen, dass Sie diesen Auftrag angenommen haben! Nennen Sie mich Gladys. Ich komme gleich und zeige...» Hinter Gladys ging mit einem lauten Gepolter die Türe auf und ein grosses menschliches Etwas füllte den gesamten Türrahmen aus. Als erstes fiel Tracy die Pilotensonnenbrille auf, die seine Augen verdeckten. Indianische Züge. Relativ attraktiv, da lange schwarze Haare nicht unbedingt ihrem Schönheitsideal entsprach. Aber hey! Der Mund sah echt vielversprechend aus. Wunderbar geschwungene Linien. Er brummte irgendetwas unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart. Vielleicht handelte es sich auch um eine Indianersprache, denn Gladys antwortete. Sie deutete auf mich und begann uns einander vorzustellen. «Das ist Tracy Loren die Fotografin. Und das ist Nathaniel Beaver unser Sheriff und Häuptling». Widerstrebend kam er näher, wobei sie sich ein Schmunzeln verkneifen musste, und streckte ihr seine Hand entgegen. «Hallo», grüsste er knapp und sie ergriff seine ausgestreckte Hand und zuckte fast zusammen, beim Druck, den er ausübte. «Hallo Mister Beaver. Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen. Ich muss gestehen, ich habe noch nie einen Häuptling kennen gelernt. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht mal, dass es sowas noch gibt...», lächelte sie freundlich. «Nate. Und eigentlich mehr inoffiziell. Entschuldigen Sie mich», meinte er trocken, bevor er sich abwandte und bei der Türe hinter ihr verschwand. Die Wortkargheit des Sheriffs wurde durch Gladys wett gemacht. Sie sprach für mindestens zwei Personen, wenn nicht sogar noch mehr. Sie zeigte Tracy den Waldweg, der zu ihrer Hütte führte. Die Hütte sah schlicht und nagelneu aus. Gladys erzählte, dass sie der erste Gast darin sei. Wir durchquerten die kleine Veranda und sie öffnete die Türe. Tracy stand verblüfft stehen. Siewusste nicht, was sie erwartet hatte. Auf jeden Fall nicht so etwas. Ein kleines niedliches Schmuckstück, das sie spontan nicht mehr hergeben wollte. Und bis zu diesem denkwürdigen Augenblick hatte sie nicht einmal gewusst, dass sie auf sowas stehen würde. Offen, mit schlichter, rustikaler Eleganz. Sie freute sich riesig, dass auf Bildern fest zu halten. Eine geschwungene schmale Treppe führte auf eine Art Balkon, für eine Galerie war es zu klein. Direkt unter dem Giebel, der Dachfenster hatte. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und stürmte juchzend nach oben. Eine Liegewiese direkt unter den Dachfenstern. Wow, da konnte man sicher nachts die Sterne sehen. Das Geländer bestand aus dickeren Ästen. Zögerlich berührte sie es, um sich von seiner Festigkeit zu überzeugen. Tatsächlich. Es hielt. Nur weil es so zart aussah, hiess es also nicht, dass es das auch war. «Gladys! Es ist zauberhaft!», drehte sie sich begeistert zu Gladys um, die in der offenen Küche stand. «Gefällt’s Ihnen?» fragte sie schmunzelnd. «Gefallen? Gladys! Ich liebe es! Sind die anderen Häuschen auch so hübsch?» «Ja, natürlich!» nickte sie unverhohlen stolz. «Ich freu’ mich schon darauf!» entgegnete Tracy. «Kommen Sie doch gegen 19 Uhr zum Haupthaus zum Abendessen, okay?» Mit diesen Worten drehte sich Gladys zur Haustüre. «Ja, gern.» «Folgen Sie nur den Schildern. Bis später und gutes Ankommen!» Gladys winkte noch kurz und war dann verschwunden. Tracy packte ihre paar Sachen aus, verstaute sie in dem wunderschönen Schrank und überlegte sich, wie sie was fotografieren wollte. Es klopfte. Nein, eigentlich war es mehr ein Poltern. Sie schrie von ihrem Schlafzimmer über das Balkongeländer, weil sie vermutete, die alte Dame habe etwas vergessen: «Herein!» Und staunte nicht schlecht, als der Sheriff höchstpersönlich vorstellig wurde. «Hören Sie Lady: was wollen Sie hier?» «Auspacken?» stirnrunzelnd sah sie von oben ihren Gast an. «Sind Sie eine von diesen Reportern, die nette alte Ladies über den Tisch ziehen wollen?» kam er direkt auf den Punkt. Sie kam gemächlich die Treppen hinunter und blieb vor ihm stehen, während ihre Augen ihn verwundert ansahen: «Was?» «Wozu sind Sie hergekommen?» Sie verschränkte wütend ihre Arme vor der Brust und musterte ihn nun in aller Ruhe von unten nach oben: «Würden Sie die Freundlichkeit haben, Ihre blöde Sonnenbrille abzunehmen? Wir befinden uns drinnen und sehen Sie, hier scheint keine Sonne. Oder haben Sie wirklich eine dermassen schlechte Kinderstube genossen?» Perplex nahm er seine Sonnenbrille ab und sie bedauerte es sofort. Sein Blick bohrte sich unbarmherzig in ihre Augen. Schokoladenaugen. Innerlich die Augen verdrehen und stöhnend, liess sie sich nicht abbringen. Idiot! «Tut mir leid», räusperte er sich. «Was?» verwirrt blickte sie ihn an. «Heisst das nicht wie bitte?», lächelte er leicht und fuhr fort: «Wegen der guten Kinderstube und so». Sein Lächeln wurde breiter und sein Gesicht verwandelte sich völlig. Dem Himmel sei Dank, dass er nicht auch noch mit Grübchen aufwarten konnte. Das wäre für Tracy definitiv zu viel gewesen. «Ich meinte, was tut Ihnen leid?» «Das mit der Sonnenbrille natürlich. Was sonst?» «Echt jetzt? Ich hätte da so einige Vorschläge, wie zum Beispiel mich ein mir unbekanntes Verbrechen zu beschuldigen», ihre Miene verkniffen, die Hände wütend in die Hüften gestemmt. «Hören Sie Lady, obwohl wir die gleiche Sprache sprechen, verstehe ich Sie nicht. Was denn sonst?» «Sie kommen hier hereingedonnert und beschuldigen mich...». «Ich habe angeklopft, unterbrach er ihre Tirade. «Wie kommen Sie darauf, dass ich jemanden über den Tisch ziehen sollte?» «Weil das Reporter doch immer tun.» «Wer hat behauptet ich sei Reporterin?» «Das ist ja wohl dasselbe...», knurrte er zwischen seinen Zähnen hindurch. «Verschwinden Sie!» Er hob die Hand, als ob er noch etwas sagen wollte. «Jetzt sofort!» schnauzte sie. Er schob seine Sonnenbrille wieder auf die Nase, drehte sich um und verliess die Hütte. Was für ein eingebildeter Klotz! Sie hatte den Auftrag bekommen, Fotos vom neuen Resort zu machen. Was für ein überheblicher Arsch! Sie würde sich ihren Aufenthalt hier sicher nicht verderben lassen. Lächelnd drehte sie sich wieder um und freute sich ganz einfach. Erst würde sie alles in sich aufnehmen, bevor sie zur Kamera greifen würde. Einen kurzen Blick warf sie noch ins Badezimmer, das direkt hinter dem gemütlichen Wohnzimmer mit offenem Kamin war. Die farbigen Patchwork-Decken und Teppiche rundeten das Ganze ab. Die Fenster waren bodentief und sie liess den Blick über die Veranda mit Schaukel, einem Geländer aus Ästen und dahinter Hügel, Bäume, Wald gleiten. Es fühlte sich fantastisch an. Sie liebte das ganze Ambiente aus Holz, bunte Farbtupfer und Helligkeit. Die Sonne schien ihr ins Gesicht, als sie ihr Häuschen verliess. Vögel zwitscherten. Wenn sie es nicht selber erleben würde, könnte sie es kaum glauben, dass sie in diese Märchenwelt hineingeraten war. Dem Pfad entlang wandernd kam sie an einem gurgelnden Bächlein vorbei und musste überrascht stehenbleiben als sich vor ihr eine Waldlichtung auftat. Es juckte sie in den Fingern auf den Auslöser ihrer Kamera zu drücken. Magisch. Etwas anderes kam ihr einfach nicht in den Sinn, als sie die Lichtpunkte beobachtete, die durch das Blätterdach lugten. Ob es auch noch so still und unberührt wirken würde, wenn alles voller Touristen wäre? Fragte sie sich unwillkürlich, obwohl das natürlich nicht in ihren Bereich gehörte. Der Pfad schlängelte sich weiter einen Hügel hinauf und von weitem hörte sie ein Hämmern. Konnte das ein Specht sein? Vom Waldleben hatte sie nicht die geringste Ahnung. Auf dem Hügel war ein geräumiger Spielplatz und diverse Grillstellen herum drapiert. Süss! Auf einer Wippe sass ein Mann und hämmerte auf sie ein. Er blickte auf und grinste sie freundlich an. «Hallo», hob er grüssend den Hammer. «Hallo. Wow! Das hier sieht echt atemberaubend aus!» «Oh! Jetzt bin ich aber enttäuscht! Ich dachte schon, sie hätten mich mit dem Wow bedacht.» Er liess den Hammer auf seinem Oberschenkel liegen und hob ihr die Hand entgegen. «Ich bin Peter. Und das da hinten im Unterholz ist Bo.» «Hi, ich bin Tracy, die Fotografin.» lächelte sie händeschüttelnd. «Ah ja. Mama Jo hat sowas erwähnt. Willkommen. Du wirst also die Werbetrommeln für uns rühren?» «Nein, nein. Ich mache nur die Fotos. Die Werbung macht dieselbe Agentur, die mich engagiert hat.» «Verstehe.» Lautes Fluchen und Poltern war aus dem Unterholz zu hören und ein älterer Herr kam daraus hervor. Er zog einen dicken Baumstamm hinter sich her. «Verdammt, Peter! Solltest nicht du die schwere Arbeit erledigen? Du bist hundert Jahre jünger als ich», keuchte er. «Ich konnte dich ja kaum bremsen, Bo. Sieh’ mal wer uns die Waldgeister geschickt haben, Bo. Das ist Tracy, die Fotografin.» Brummend hob er die Hand «Sorry, Ma’am. Wir müssen weitermachen.» «Bis dann!», lächelte sie, winkte zum Abschied und ging weiter. Die Griesgrämigkeit schien hier ziemlich beliebt zu sein, dachte sie grinsend. Sanft schlängelte sich der Pfad wieder den Hügel hinunter. Gesäumt von Blumen und Grünzeug. Auch wenn sie die Namen nicht kannte, konnte sie mit ihrem Künstler- auge sagen, dass es bezaubernd aussah. Zurück im Dorfkern ging sie auf das grösste Gebäude zu, dass ebenfalls ein Blockhaus war. Als sie eintrat, bimmelte ein Glöckchen über der Türe und eine Stimme kam aus dem Off «Bin gleich da». Neugierig nahm sie alles in Augenschein. Geräumig und hell sah es aus. Die Regale des Shops übersichtlich und aufgeräumt. Sie wanderte hindurch und beäugte das Sortiment. Ein moderner Tante-Emma-Laden, dachte sie grinsend. Eine Sitzecke mit Büchern lud zum Verweilen und Lesen ein. Dahinter ein offener, grosser Kamin. «Hi, Liebes. Was kann ich für Sie tun?» Tracy wandte sich lächelnd zu der weiblichen Stimme um und sah eine kleine, grauhaarige Frau. Drahtig und voller Lebenslust sprühten ihre Augen. «Hi, ich bin Tracy Loren, die Fotografin.» Kaum hatte sie ihren Namen gesagt, wurde sie stürmisch von der kleinen Lady umarmt und sie giggelte drauflos. «Willkommen, Tracy! Wie ich mich freue, dass du da bist! Ich bin Mama Jo. Alle nennen mich hier so, also tu mir bitte den Gefallen und mach es auch so. Eigentlich heisse ich Joanna, aber auf diesen Namen bin ich nicht so gut zu sprechen. Mein Enkel nennt mich so, wenn er sauer auf mich ist. Was ziemlich häufig der Fall ist in letzter Zeit. Komm, setz dich zu mir.» Sie schob Tracy zur Sitzecke, wuselte wieder hinter den Tresen, kam mit einer blauen Flasche und Gläsern zurück. Ihre Augen konnten ihr kaum folgen, so schnell war sie. Dazu redete sie wie ein Wasserfall. Von ihrer Vision, Leben in das Dorf zu bringen. Ihm Leben einzuhauchen und ihre Geschenke teilen zu dürfen. «Geschenke?», fragte Tracy leicht betäubt von der Flut an Worten, die über sie hinwegschwammen. «Dieser magische Ort. Diese süssen Ferienhäuschen. Wie gemacht für gutbetuchte Urlauber, die sich wirklich erholen wollen. Natur, Stille und eine wohlgesonnene Gemeinschaft.» strahlte Mama Jo. «Und das ist Ihre Vision?» «Ts, ts. Bitte duze mich. Ich fühle mich steinalt, wenn du mich siezt, Liebes. Du musst wissen, ich bin erst siebzig, habe also noch das halbe Leben vor mir.», grinste sie schelmisch. «Die Vision? Ach ja, genau! Ich habe von meinem verstorbenen Mann geträumt. Jim hat mir in meinem Traum gesagt, dass ich unseren Enkel Nate darauf ansetzen soll, diese Häuschen zu fabrizieren. Und das hat er dann gemacht. Okay, okay, ich musste ihn zuerst ein bisschen anschubsen. Er wusste bis dahin gar nichts von seinem Talent so hervorragend mit Holz umgehen zu können. Nach der Armee war er so niedergeschlagen und tja, das Feriendorf hat uns auch da geholfen. Was soll ich sagen: Jackpot! Ich fühle mich einfach beschenkt.» «Ihr Enkel ist Nate? Der Sheriff?» fragte Tracy. «Ja, genau der!» Tracy sah gespannt ihrem Gegenüber zu, wie sie die blaue Flasche kippte und ihnen einschenkte, ihr ein Glas gab und ihr fröhlich zuprostete. In einem Zug kippte Mama Jo die Flüssigkeit hinunter und strahlte sie an. Tracy nahm vorsichtig einen Schluck des Gebräus und musste prompt husten. Tracy wusste nicht, wie ihr geschah. Mama Joe schleppte sie zum Abendessen in den Gemeinschaftsraum und anschliessend wurde um ein grosses Lagerfeuer auf dem Dorfplatz getanzt. Auch dort gab es war der Alkohol zu Gast. Aus blauen Flaschen. Sie sass lachend auf einem der liegenden Baumstämme und betrachtete das Geschehen. Sogar der miesepetrige Sheriff tanzte um das Feuer, alberte mit den Kindern herum. Auch sie wurde aufgefordert zum Tanzen. Allen voran Peter, der sich wirklich Mühe gab. Sie mochte die Ausgelassenheit und machte mit. Vom Sheriff wurde sie ignoriert. Komplett, was sie ein müdes Lächeln kostete. Sie war gern im Hintergrund. Unscheinbar. Hinter ihrer Kamera versteckt. Die Reise und die vielen Eindrücke, ja okay, vielleicht auch der Alkohol, dem sie ziemlich zugesprochen hatte, machten sie müde. Als sie sich verabschiedete, begleitete Peter sie zu ihrem Häuschen. Ihn abzuschütteln nervte sie. Erwartete er doch tatsächlich, die Nacht mit ihr zu verbringen. Sie fühlte sich unbeholfen und unhöflich, ihm eine Abfuhr zu erteilen. Dennoch, sie fand den Typ Surferboy zwar attraktiv, war jedoch nicht im Geringsten interessiert. Keine Komplikationen. Nach diesem Motto lebte sie seit zwei Jahren erfolgreich.

Der Kater liess natürlich nicht auf sich warten. Morgens fand sie die Sonne zu hell und in ihrem Kopf schien sich ein Orchester niedergelassen zu haben. In ihrer kleinen Küche fand sie alles, was das Herz begehrte. Vor allem Kaffee. Sie setzte sich auf die Veranda, auf diese gemütlich Schaukel und nahm auch noch ihren Laptop mit, um ihre Aufträge durchzugehen. Der Kaffee half. Nach ihrer ersten Tasse, war ihr ganzes System hochgefahren und sie konnte es kaum erwarten mit ihrer Kamera loszulegen. Nach der zweiten Tasse Kaffee und einer Dusche, packte sie ihre Kamera und machte sich auf den Weg. Dieses Mal nahm sie einen anderen Pfad und knipste am Wegesrand die Pflanzen, deren Namen sie nicht kannte. Ihr Häuschen von Weitem. Dann entdeckte sie ein Baumhaus, das wohl noch nicht fertig war. Peter und Bo standen davor am Sägen. Die anzüglichen Blicke von Peter ignorierte sie und ging winkend an ihnen vorüber. Es roch fantastisch, während sie weiterwanderte. Nach Wald und Frühstück, wie sie schnuppernd feststellte. Nach einer Biegung stand sie vor einem Häuschen, das bewohnt aussah. Sie klopfte neugierig. Da sie als erster Gast hier einquartiert worden war, musste es jemand von hier sein. Der Griesgram öffnete in seiner üblichen Laune. Tracy strahlte ihn an, überging seine Stirnrunzeln, das sowieso nichts Gutes erahnen liess. «Das riecht toll. Gibt’s Frühstück?» neugierig atmete sie den Duft nach warmen Essen ein. Seine Augenbrauen hoben sich. «Gibt es tatsächlich.» «Darf ich mich dazusetzen? Ich sterbe vor Hunger. Muss an der frischen Luft liegen», und trat ungebeten ein. Es war grösser als ihr Gasthaus. Der Stil jedoch ähnlich. Farbige Teppiche und eine Decke über dem Ledersofa. Männlich. Er war in die grosse Küche gegangen, holte Teller und Besteck für sie. Die Küche erstaunte sie. Weisse Schränke und modernes Design. Bei all diesem traditionellem Holz hätte es fehl am Platz wirken müssen, tat es jedoch nicht. Sie setzte sich vor ihren gefüllten Teller, legte ihre Kamera auf den Tisch und ass. «Mh!», geniesserisch stöhnte sie, «Es schmeckt köstlich. Danke für die Einladung.» Er setzte sich ihr gegenüber und nahm sich Toast. Er grunzte: «Welche Einladung?»


In den nächsten Tagen spielte sich diese Routine ein. Morgens spazierte sie zu Nate und liess sich Frühstück geben, nur um kurze Zeit später gutgelaunt ihrer Wege zu gehen. Natürlich mit ihrer Kamera. Am Mittag sahen sie sich nur von weiter Ferne, wenn sie im Gemeinschaftssaal zur selben Zeit assen. Sie ignorierten sich. Tracy hatte sich für die Dorfgemeinschaft mit ihren diversen Unternehmungen interessiert, selbst Hand an die Stricknadeln gelegt und eifrig bei jeder sich bietenden Gelegenheit Fotos geschossen. Sie sassen gemütlich in Nate’s Küche beim Frühstücken, als er sie ernst ansah: «Wir haben gestern Morgen ein ausgeweidetes Tier im Wald entdeckt.» Während er diese Tatsache so ganz nebenbei fallen liess, beobachte er Tracy mit Argusaugen. Ihm entging nicht das nervöse Zucken ihres Augenlids, die schreckgeweiteten Augen und das schnelle Schlucken. Nur ein Bruchteil einer Sekunde mochte es gedauert haben, die Augen des Sheriffs jedoch sahen es als Zeichen von Unwohlsein oder schlimmer noch, dass sie etwas wusste oder noch schlimmer etwas damit zu tun hatte. Nate hatte sie überprüft. Schon vor ihrer Ankunft und konnte nichts über sie herausfinden. Sie war wie ein Geist und in Zeiten von social medias nicht nur suspekt, sondern fast unmöglich. Was ihn zu der Frage verleitete: was hatte sie zu verbergen? «Okay?», fragte sie gedehnt. «Das Tier wurde mit einem scharfen Gegenstand ausgeweidet. Einem Messer vermutlich.» Sie hatte ihren Teller halb leer von sich geschoben. «Ist dir der Appetit vergangen?», fragte er interessiert. Als sie nickte, nahm er sich ihren Teller und ass ihn auf und sie nippte an ihrem heissen Kaffee. «Sorry, das war nicht meine Absicht, dir den Appetit zu verderben. Die Gerüchte werden wohl schnell die Runde machen und ich wollte, dass du es von mir erfährst.» « Vielleicht ein Jäger, der die Beute nicht mitnehmen wollte?» fragte sie unbeholfen. «Du kennst dich nicht gut mit Jägern aus, oder? Keiner würde seine Trophäe liegen lassen, ausser, er will einer bestimmten Person eine Nachricht hinterlassen.» Sie sah es ihm an. Sein Blick bohrte sich wissend in ihren und ihr war speiübel. Nicht mehr nur flau im Magen, wie zu Anfang seiner Ankündigung. Und sie hatte ihn ein bisschen für verschlafen gehalten. Grosser Fehler ihrerseits. Seine klugen Augen sahen sie wortlos an. Sie musste unwillkürlich schlucken. Instinktiv wusste sie, dass sie ihm nicht lange würde standhalten können, also blieb ihr nur die Flucht. Sie dankte ihm und floh. In ihrer gemütlichen Hütte, fühlte sie sich plötzlich nicht mehr sicher. Sie schloss die Haustüre hinter sich ab und ging hinauf in die Galerie, um ihren Rucksack wieder zu packen. Mit klopfendem Herzen.

Nach ihrem fluchtähnlichen Abgang, räumte Nate seine Küche auf und ging auf schnellstem Weg in sein Büro. Gladys hatte immer noch drei ihrer pinken Lockenwickler in den Haaren. Ob es Teil ihrer Frisur war, oder einfach vergessen gegangen waren, enthob sich seiner Kenntnis. Er hatte nur noch nicht tief genug nach Tracy Loren gegraben, da war er sich sicher. Er hatte einige gute Kontakte, die er jetzt nutzte. Das Foto, das er von ihr geschossen hatte, liess er durch die Datenbank laufen und staunte nicht schlecht, als eine Meldung kam mit einem ähnlichen Gesicht, jedoch einem anderen Namen. Sein Instinkt hatte ihn also nicht getäuscht. Das Gesicht kannte er, die Haarfarbe nicht. Amy Fletcher. Häusliche Gewalt. Er sah sich die Bilder ihres geschwollenen Gesichtes an. Blaue Flecken, die ihren gesamten Körper übersäten. Verdammt! Galle stieg ihm in den Hals. Wut kroch in seinen Magen. Was für ein Mistkerl. Sie brauchte einen Moment, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie packte ihre paar Sachen zusammen, ging Mittagessen, als ob nichts wäre und wartete auf die Dunkelheit. Nate ging sie aus dem Weg. Als es spät und vor allem finster war, huschte sie aus ihrer Hütte. Sie hatte sich wohl gefühlt. Fast wie zu Hause, auch wenn sie schon fast nicht mehr wusste, was das bedeutete. Sie hatte einen Brief hinterlassen, indem sie sich von Mama Jo verabschiedete und einen familiären Notfall angab, weswegen sie in der Nacht aufbrechen musste. Es tat ihr weh, diese Menschen so verlassen zu müssen. Verdammt! Sie wischte sich die Tränen von ihren Wangen. Sie musste sich konzentrieren. Bevor sie das Dorf jedoch verlassen konnte, machte sie einen Umweg zu seinem Haus. Sie würde das Frühstück mit ihm vermissen. Ihn vermissen. Sie betrachtete sein dunkles Haus, das zu schlafen schien. Wie er vermutlich auch. Traurig wandte sie sich um und wollte das Dorf mit seinen Gewohnheiten hinter sich lassen, als sich eine Hand von hinten fest auf ihren Mund legte. Der Schock fuhr ihr in alle Glieder. Zuerst konnte sie sich eine Sekunde lang nicht bewegen und vergass fast zu atmen, als der Fremde sie in Richtung von Nate’s Haus drängte. Dann versuchte sie sich zu wehren, versuchte ihn in die Finger zu beissen, blieb jedoch erfolglos. Mühelos stiess der Angreifer sie in Nate’s Haus, ohne Licht zu machen und flüsterte ihr ins Ohr: «Psst. Leise! Ich bin’s Nate.» Ihr Widerstand erlahmte und sie entspannte sich. «Nicke mit deinem Kopf, wenn du mich verstanden hast.» Sie tat ihm den Gefallen und nickte. Er liess sie langsam los. Sie zog aus und versetzte ihm einen Schlag auf seinen Arm, was ihn herzlich unbeeindruckt liess. «Du Idiot! Du hast mich zu Tode erschreckt», zischte sie leise. «Wieso schleichst du auch des nachts umher, Prinzessin? Lass uns nach oben gehen, da können wir Licht machen, ohne, dass man’s von aussen sieht.» Er nahm ihre Hand und führte sie die Treppe hoch, in sein Schlafzimmer. Ausgerechnet. Er machte das Nachtischlämpchen an und setzte sich aufs Bett. Sie setzte sich auf den Sessel daneben, nachdem sie ihren Rucksack auf den Boden fallen liess. Er sagte nichts, wartete einfach ab. Wahrscheinlich so eine Bullentaktik. Was wusste sie denn schon? Tränen trübten ihre Sicht, als sie leise sagte: «Wenn ich hierbleibe, seid ihr alle in Gefahr. Damit kann ich nicht leben. Darum muss ich gehen.» «Tja, Prinzessin. Da muss ich dich leider enttäuschen. Das steht gar nicht zur Debatte. Du bleibst hier.» Während die Tränen unaufhörlich über die Wangen rannen, schüttelte sie entschlossen ihren Kopf. «Du verstehst nicht, Nate», schluchzte sie. «Dann erzähl es mir», meinte er ruhig. Sie nickte langsam und schluckte. «Mein Name ist Amy Fletcher. Ich bin seit zwei Jahren geschieden», sie schluckte, vergrub ihr Gesicht in ihre Hände, bevor sie es wieder hob und tonlos weiterfuhr: «Mein Ex- Mann, Jessi Simons, kann es weder akzeptieren, noch verstehen. Er zerstört alles und jeden, der mir etwas bedeutet. Und er findet mich immer und immer wieder. Das ausgeweidete Tier war eine Botschaft an mich.» Nate ging in sein Büro und kam mit einem Gerät zurück. Er liess es über sie und ihr Gepäck laufen. Bei ihrem Rucksack piepte es hektisch. «Ein gottverdammter Sender?», fluchte sie. Die Wut in ihrer Stimme, brachte ihn zum Grinsen. «Er mag verblendet sein, dumm ist er jedoch nicht, Prinzessin.» «Ich habe alles immer entsorgt, ausser...» Ein Griff in den Rucksack und sie zog ihre Geldbörse hervor. Das Piepen erreichte seinen Höhepunkt. «Bingo!», lächelte Nate. «Jetzt haben wir ihn, Prinzessin. Wir stellen ihm eine Falle.»

Am nächsten Morgen behielt Nate absichtlich seine Routine bei. Eine verstörte Grossmutter kam am Morgen in sein Büro, Gladys im Schlepptau. Sie schmiss ihm verärgert eine Notiz hin, woraufhin er nur die Stirn in Falten schlug. «Was soll das, Mama Jo?» hob er fragend eine Augenbraue. «Was zum Teufel hast du mit dem Mädchen gemacht, Nate?» Er hob seine zweite Augenbraue und fragte gelassen: «Ich?» Er musste sich ein Grinsen verkneifen, als er seine Grossmutter in ihrem bunten, flatternden Morgenrock vor seinem Schreibtisch stehen sah und seine Empfangsdame neugierig seinen Türrahmen ausfüllte. Heute zur Abwechslung mal ohne Lockenwickler. «Ja, du! Tracy hatte es mit allen gut. Alle haben sie gemocht – ausser du!» «Und was steht da auf dem Zettel?» Er hob besagten Zettel in die Höhe. «Dass sie einen familiären Notfall hatte und sich wieder meldet.» Betont lässig hob er seine Schultern: «Was wohl des Rätsels Lösung ist, Joanna». Mama Jo ignorierte geflissentlich den Seitenhieb, mit ihrem Vornamen und fuhr unbeirrt fort: «Irgendetwas ist da los, sonst wäre sie nicht in einer Nacht- und Nebelaktion verschwunden. Hast du sie überprüft?» «Was denkst du?» Sie schlug sich wütend mit einer Hand gegen die Stirn. «Natürlich hat er eine Über-prüfung durchgeführt», mischte sich nun Gladys vom Türrahmen her ein. «Er ist unser Sheriff macht seinen Job hervorragend.», verteidigte sie seine Berufsehre. Nate fühlte sich gezwungen, die Loyalität seiner Empfangsdame gebührend zu würdigen und murmelte: «Danke, Gladys.» «Und was hast du herausgefunden, Sheriff?», knurrte seine Grossmutter ihn an, «Muss man dir denn alles aus der Nase ziehen, Nate?» Demonstrativ verschränkte er seine Arme vor der Brust. «Ladies, das geht zu weit. Schon mal was von Datenschutz gehört? Auch das gehört zum Job eines Sheriffs, nämlich zu Schweigen», grinste er. Er stand auf und scheuchte beide Seniorinnen aus seinem Büro, wohlwissend, dass er sie gegen sich aufgebracht hatte. Sie würden sich wieder beruhigen. Irgendwann. Er hatte die Geldbörse in Tracy’s Häuschen deponiert, unter dem Waschbecken. So, als ob sie runtergefallen wäre und vergessen worden wäre und hatte sie bei sich zu Hause eingeschlossen. Es kam ihm fremd vor, abzuschliessen, aber Sicherheit ging vor.

Am Nachmittag ging er nach Hause. Sie lag im Gästezimmer auf dem Bett und schlief. Er weckte sie durch sanftes Rütteln und sie setzte sich auf. Strich ihr dunkles Haar aus dem Gesicht. «Der Spielplatz auf dem Hügel.» «Okay», flüsterte sie schlaftrunken. «Ich positioniere ein paar meiner Männer.» Sie nickte. «Und du tust, was du immer tust.» Sie schluckte nervös, fragend sah sie ihn an und hob eine Augenbraue. «Du fotografierst. Flora und Fauna. Mit deiner Geldbörse.»

Gesagt, getan. Sie fühlte sich beobachtet, was ja witzigerweise auch so war und machte Fotos. Wie der Sheriff es so nett ausgedruckt hatte von Flora und Fauna. Bald schon war sie so vertieft darin, dass sie erst aufblickte, als sich Wanderstiefel in ihr Sichtfeld schoben. «So sieht man sich wieder, Schätzchen.» Sie schluckte die aufsteigende Galle runter und zuckte einen Schritt zurück. «Jessi?» «Dachtest du, ich lasse dich einfach so gehen, Schätzchen?» breitbeinig stand er vor ihr. «Was willst du, Jessi?» «Dich. Immer. Wir sind verheiratet, Schatz. Bis ans Ende unserer Tage, weisst du noch?» Sein Gesichtsausdruck wurde grimmiger, die Sanftheit, die er wie eine Maske aufgesetzt hatte, war verschwunden. «Ich habe die Scheidung eingereicht. Vor zwei Jahren, Jessi!» Verzweiflung mischte sich in ihre Stimme. «Du verstehst nicht, Amy! Was Gott zusammengeführt hat, kann der Mensch nicht scheiden!» Er begann zu brüllen und in seinen Augen sah sie der Wahnsinn aufblitzen. Sie schluckte ihre Tränen hinunter und versuchte ruhig zu atmen. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, ruhig zu bleiben. Nicht noch Zunder oder einen Funken in das bereits hochlodernde Feuer zu werfen, welches in ihm tobte. Sie hob beide Hände zum Zeichen, dass sie sich ergeben würde. «Okay.» «Okay?» Misstrauen blitzte in seinen Augen und er zog eine Waffe hinter seinem Rücken hervor, die sie trocken schlucken liess. Als Gladys und Mama Jo kichernd und tratschend aus dem Wald traten, begann ihr Herz zu rasen. Die beiden Seniorinnen sahen ihr mit schreckgeweiteten Augen entgegen und hoben unisono ihre Hände. «Sehr gut, Ladies!», lobte Jessi die Damen. Im nächsten Moment knallte ein Schuss durch die Luft und liess sie zusammensinken. Sie hatte sich instinktiv auf den Boden fallen lassen. Jessi ebenfalls, schreiend. Er lag gekrümmt auf dem Waldboden, schockiert und fluchend seine blutende Hand haltend. Bewaffnete Männer traten aus dem Wald und sprinteten zu dem überraschten Jessi, hoben die Waffe auf, die neben ihm lag. Der Sheriff rannte auf sie zu: «Geht es dir gut?» Sie nickte unbeholfen, setzte sich auf und sah erleichtert, wie die zwei Seniorinnen immer noch putzmunter am Waldrand standen. Etwas blass, aber unversehrt. Nate verhaftete Jessi und liess ihn von seinen Männern abführen. Die Ladies nahmen sie beruhigend in die Arme. Sie selbst merkte nichts von den Tränen, die ihr über die Wangen strömten. Die Kälte und das Zittern hatten sich ihrer bemächtigt. Nate drückte kurz einen Kuss auf den Scheitel seiner Grossmutter und murmelte ihr leise zu: «Bringt sie von hier weg».

Sie dachte, sie hätte alles hinter sich gelassen, nachdem sie aus dem Ferienresort zurückgekehrt war. Blind starrte sie auf ihren Laptop und den blinkenden Cursor, der sie auf leerem Untergrund zu verhöhnen schien. Mit halbem Ohr hörte sie den Lärm der Grossstadt, der aus dem offenen Fenster zu ihr hineinwehte. Eine Mail von Sheriff Nate Beaver von heute Morgen hatte sie in Gedanken zurück träumen lassen. An ihre gemeinsamen Frühstücksmorgen, die er wohl oder übel, über sich hatte ergehen lassen. Seine Mail war nüchtern gewesen. Ganz der Sheriff. Der Fall war abgeschlossen. Jessi sass im Gefängnis. Genauso nüchtern hatte sie sich bedankt und alles Gute gewünscht. Es fühlte sich nach Abschied an. Seit drei Wochen versuchte sie vergeblich ihren Rhythmus wieder zu finden. Zurück zu finden zu ihrem alten Leben, das aus dem Takt geraten schien. Das Pling ertönte und zeigte eine neue Mail an. Der Sheriff. Na toll. «Abendessen?», fragte er. «Ja, klar», antwortete sie und dachte: was für ein Blödmann! Ein Hinterwäldler wie er im Buche stand. Er hatte wahrscheinlich Gladys schreiben wollen. «In einer halben Stunde?» Ernsthaft jetzt? Hatte er noch nie etwas von Handys gehört? Wieder schrieb sie «ja klar» zurück und schloss alle Programme. Sie ging in die Küche, um etwas zu trinken, als ihr Türsummer einen Besucher ankündigte. Ohne durch den Türspion zu schauen, öffnete sie die Türe und stand, für einmal sprachlos, dem Sherif in Zivil gegenüber. Er grinste breit, hob zwei Tüten und schob sie sanft beiseite. «Wie versprochen: Abendessen. Allerdings muss ich es zuerst noch kochen. Ich nehme an, auch wenn du nicht weisst, wie sie funktioniert, hast du doch sicher eine Küche». Ihre Wohnung war klein und übersichtlich. Er musste kein Genie sein, um sie zu finden. Er ging darauf zu, legte die Tüten auf den Tresen und drehte sich erwartungsvoll zu ihr um. Wie angewurzelt stand sie immer noch an der offenen Eingangstüre. In der einen Hand den Türgriff, in der anderen das Glas Wasser. Er trat zu ihr, umrahmte ihr Gesicht mit seinen Bärenhänden und küsste sie sanft. Dann schloss er die Tür und machte sich in ihrer Küche zu schaffen, als ob er da zu Hause wäre. Völlig perplex steuerte sie auf ihren Küchentresen zu, nachdem sie die Haustüre geschlossen hatte und setzte sich auf einen Barhocker, während er geschäftig hin und her wuselte. «Du hast mir gerade eben eine Mail geschrieben». «Eigentlich waren’s zwei Mails, Prinzessin. Mit dem von heute Morgen drei. Das habe ich noch von zu Hause geschrieben». «Und die beiden letzten?» fragte sie. Er hielt inne und hob eine Augenbraue «Was denkst du denn? Von meinem Handy aus». Mit dem Zeigefinger deutete er zwischen sich und ihr hin und her. «Ausserdem möchte ich gerne wissen, wohin das mit uns zwei führt. Ich bin neugierig. Was meinst du, Amy?» Seitdem er Jessi angeschossen hatte, hatte er sie nie mehr Tracy genannt. «Hat dich deine Grossmutter geschickt? Oder Gladys?» fragte sie skeptisch. Er kratzte sich verlegen am Kopf und schien plötzlich um Worte verlegen. «Nicht direkt», murmelte er, «Da sie’s dir vermutlich sowieso erzählen werden: sie haben mir einen verbalen Arschtritt versetzt». «Wann?» fragte sie amüsiert. Wieder fuhr er nervös durch seine Haare und murmelte: «Weiss ich nicht mehr genau». «Wann, Nate?» Sie musste sich ein Grinsen verkneifen, weil er sichtlich mit sich kämpfte. «Ist das wichtig?» Sie hob nur fragend eine Augenbraue und verschränkte demonstrativ ihre Arme vor der Brust. «Okay! Vor etwa...» Er ging wieder hinter den Küchentresen und begann die Einkäufe auszupacken «... ich weiss nicht mehr so genau». «Was bist du nur für ein schlechter Lügner. Raus mit der Sprache, Nate!» Wütend schmiss er eine Zwiebel auf den Tresen «Vor zwei Wochen», knurrte er und suchte in den Schubladen nach einem Messer, einem Brett und begann die Zwiebel zu schälen. «Sie haben mir die Fotos gezeigt, die du für die Homepage und die Werbung gemacht hast. Es fällt mir nicht leicht es zuzugeben. Sie hatten recht. Es sind schöne Bilder. Nichts sensationsgieriges. Jeden verdammten Tag habe ich sie mir angeschaut und es hat gedauert, zu erkennen, warum deine Bilder so besonders sind.» Endlich hob er den Blick von der Zwiebel und sah ihr direkt in die Augen, die ihn sanft anlächelten. «Du liebst unser Dorf. Die Menschen. Das Leben dort. Du gehörst zu uns». «Nun, lass uns zuerst mal sehen, was das zwischen uns ist» auch sie zeigte mit ihrem Zeigefinger zwischen sich und ihm hin und her. «Deal», lächelte er und schob sich über den Tresen, um sie zu küssen.



 
 

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